Evaluation des Buches ‚Psychosoziale Therapie mit Kindern und Jugendlichen’  im Unterricht mittels Vorher-/Nachher-Fragebogen

von Georg Keller

Rahmenbedingungen und Ablauf

Bei einer Ergotherapieklasse wurde das Buch Psychosoziale Therapie mit Kindern und Jugendlichen vom Autor, Georg Keller, - der zugleich auch ET-Lehrer an einer Ergotherapieschule ist - im Fach ‚Psychosoziale Verfahren’ in insgesamt 33 Unterrichtsstunden (verteilt über sechs Wochen) eingesetzt.

In einem einführenden Lehrervortrag referierte der Autor zusammenfassend die Analysen aus Teil I seines Buches, um die Bedeutung des Themas und die allgemeinen Rahmenbedingungen der psychosozialen Ergotherapie bei Kindern und Jugendlichen aufzuzeigen.

Danach konnte sich jeder der zwanzig Schüler aus einen Pool ausgewählter Lektionen aus Teil II des Buches eine (oder auch mehrere kurze) Lektion(en) als Referatthema auswählen. In dem Referate-Pool befanden sich schwerpunktmäßig Lektionen aus Teil II Kapitel 5 (Maßnahmen und Vorgehensweisen), sowie einzelne Lektionen aus Teil II Kapitel 2 bis 4. Im folgenden war es Aufgabe jedes Schülers, die Informationen der von ihm gewählten Lektion(en) in einem kleinen Referat in eigenen Worten verständlich vorzutragen („Pflicht“) und zudem - je nach persönlicher Initiative - beispielsweise durch Demonstrationen, weitere Informationsquellen, eigene Erfahrungen oder anderes zu ergänzen („Kür“) und das Ganze danach in der Klasse zur Diskussion zu stellen. Zum Abschluss eines jeden Referats wurden die wesentlichen Inhalte dann noch anhand der Textverständnisfragen aus dem Buch von der Klasse aus dem Gedächtnis mündlich rekapituliert.

Ergänzt wurde der Unterricht durch das Ansehen und anschließende Diskutieren eines Videos über Anti-Aggressions-Therapie mit straffälligen Jugendlichen, wobei auch die Grenzen ergotherapeutischer Behandlungsmöglichkeiten deutlich aufgezeigt werden konnten.

Abgerundet wurde der Unterricht durch Informationen zur Anorexia nervosa (Video) und zur symptombezogen-regulierenden Methode in der ergotherapeutischen Behandlung der Anorexia nervosa (Lehrervortrag / entwickelnde Methode).

Aufgrund der relativ guten Mitarbeit aller Schüler konnte auf eine schriftliche Leistungskontrolle (Klausur) verzichtet werden.

Insgesamt konnte in der zur Verfügung stehenden Unterrichtszeit nur etwa die Hälfte der Materialien (Lektionen) des Buches eingesetzt/durchgearbeitet werden.

Vorher-Fragebogen

Ganz zu Beginn der 1. Unterrichtsstunde, d.h. noch vor dem Lehrervortrag, konnte jeder der insgesamt zwanzig Schüler mittels Vorher-Fragebogen anonym anhand von 3 Fragen jeweils auf einer Skala von -3 bis +3 ankreuzen, wie er allgemeine Relevanz, persönliche Neigung und persönliche professionelle Kompetenz zur psychosozialen Therapie mit Kindern und Jugendlichen einschätzt. Die drei Fragen lauteten:

1. Eine Behandlung von psychosozial auffälligen Kindern und Jugendlichen durch Ergotherapeuten halte ich für

sehr wichtig















sehr unwichtig.

 

  +3

  +2

  +1

  0

-1

-2

-3

 

 

2. Meine ganz persönliche Neigung psychosozial auffällige Kinder und Jugendliche ergotherapeutisch zu behandeln ist zur Zeit

 

sehr groß















sehr gering.

 

  +3

  +2

  +1

  0

-1

-2

-3

 

Für eine professionelle ergotherapeutische Behandlung psychosozial auffälliger Kinder und Jugendlicher sind unter anderem folgende Fähigkeiten bedeutsam:

· Die speziell für die Arbeit mit psychosozialem jungem Klientel geeigneten ergotherapeutischen Behandlungsangebote kennen.

· Die Möglichkeiten und Grenzen gemeindenaher ambulanter ergotherapeutischer Behandlung einschätzen können.

· Bereits anhand weniger erster Informationen zu einem neuen psychosozial auffälligen jungen Klienten gezielt initiale ergotherapeutische Behandlungsangebote planen können und diese Planung anhand der konkreten - während der Therapie fortlaufend gewonnen - Informationen kontinuierlich weiter entwickeln können.

· Die im konkreten Einzelfall geeigneten Behandlungsangebote ressourcenorientiert und motivierend einsetzen.

· Nicht ausschließlich ablenkend und stützend arbeiten, sondern im Rahmen einer tragfähigen und entspannten ergotherapeutischen Beziehung auch die Probleme des jungen Klienten einfühlsam fokussieren.

· Junge Klienten bereits beizeiten - im Hinblick auf das Ende einer ergotherapeutischen Behandlung - gezielt auf eine eigenverantwortliche förderliche Lebens- und Freizeitgestaltung vorbereiten.

· In kompetentem Informationsaustausch mit dem verordnenden Arzt stehen.

· Die Bezugspersonen eines psychosozial auffälligen jungen Klienten angemessen informieren und sinnvoll mit in die Therapie einbeziehen.

· Auch mögliche Gefahrensituationen im Rahmen einer ergotherapeutischen Behandlung psychosozial auffälliger Kinder und Jugendlicher rechtzeitig erkennen.

· Die ergotherapeutische Behandlung fortlaufend dokumentieren, reflektieren und abschließend evaluieren.

3. Meine derzeitigen Fähigkeiten, psychosozial auffällige Kinder und Jugendliche ergotherapeutisch zu behandeln schätze ich alles in allem ein als

 

sehr groß















sehr gering.

 

  +3

  +2

  +1

  0

-1

-2

-3

 

 Nachher-Fragebogen

Am Ende der letzten Unterrichtseinheit hatten alle Schüler noch einmal Gelegenheit, die gleichen drei Fragen zu beantworten, diesmal jedoch ergänzt durch eine 3. und 4. Fragen zu den Unterrichtsmaterialien:

Die im Unterricht eingesetzten Materialien empfand ich als:

4.)

 

sehr interessant und motivierend















sehr uninteressant und demotivierend.

 

  +3

  +2

  +1

  0

-1

-2

-3

 

5.)

 

informativ und hilfreich















weder informativ noch hilfreich.

 

  +3

  +2

  +1

  0

-1

-2

-3

 

Ergebnisse:

Die Schüler schätzen die Relevanz der psychosozialen Therapie bei Kindern und Jugendlichen als groß ein. Ebenso zeigen sie eine positive Neigung psychosozial auffällige Kinder und Jugendliche ergotherapeutisch zu behandeln. Beide Werte ändern sich im Vergleich der Vorher- mit der Nachher-Befragung nur geringfügig. Eine deutliche Änderung zeigt sich jedoch bei Frage 3. Zu Beginn schätzen die Schüler ihre Fähigkeit psychosozial auffällige Kinder und Jugendliche professionell zu behandeln leicht negativ ein; am Ende des Unterrichts jedoch deutlich positiv. Die Unterrichtsmaterialien schätzen sie als interessant/motivierend und informativ/hilfreich ein. (Die genaue Mittelwerte gibt Tabelle 1 wieder.)

n=20

Frage 1

Frage 2

Frage 3

Frage 4

Frage 5

vorher:

+ 2,10

+ 1,00

- 0,65

-

-

nachher:

+ 2,05

+ 1,10

+ 0,80

+ 1,60

+ 1,85

Differenz ):

- 0,05

+ 0,10

+ 1,45

-

-

Tabelle 1

Diskussion der Ergebnisse

Aufgrund der begrenzten Möglichkeiten war nur eine Evaluation mittels Vorher-Nachher-Befragung möglich, die zudem durch den Lehrer der zugleich Autor des im Unterricht verwendeten Buches ist, selbst vorgenommen werden musste. Da die Fragebögen von allen Schülern anonym ausgefüllt wurden, kann davon ausgegangen werden, dass die Schüler ihre Einschätzungen authentisch, d.h. ohne Angst vor Repressalien zum Ausdruck brachten. Aufgrund der relativ kleinen Stichprobe wurde auf eine Signifikanz-Berechnung verzichtet.

Die Ergebnisse dieser Evaluation sind ermutigend, aber Aufgrund der sehr heterogener Rahmenbedingungen an unterschiedlichen Schulen mit unterschiedlichen Lehrplänen und unterschiedlichen Klassen, Lehrkräften u.a. nur bedingt übertragbar.

Die relative hohe Einschätzung der Relevanz psychosozialer Ergotherapie mit Kindern und Jugendlichen (Frage 1) könnte auch mit dem allgemeinen Schock in Zusammenhang stehen, den der Amoklauf von Erfurt wenige Wochen vor Beginn des Unterrichts in der breiten Öffentlichkeit ausgelöst hatte. Mit dem allmählichen Nachlassen dieses ‚Schocks’ könnte vielleicht zu erklären sein, dass sich die bereits hohe Relevanz-Einschätzung der Vorher-Befragung durch den Unterricht nicht erhöht hat.

Angesichts des verbreiteten Interesses vieler Schüler für den neuropädiatrischen Bereich fällt das Interesse für den verwandten psychosozialen Bereich bei Frage 2 mit 1,00 zwar positiv, aber doch relativ gering aus. Das könnte in Zusammenhang mit der negativen Selbsteinschätzung der eigen professionellen ergotherapeutischen Kompetenz, wie sie sich in Frage 3 in der Vorher-Selbsteinschätzung mit minus 0,65 (!) zeigt, in Zusammenhang stehen. Die minus 0,65 macht deutlich, dass es der bisherige Unterricht und das erst Praktikum den Schülern noch nicht ermöglichen konnten, auf diesem wichtigen Feld ein professionelles ergotherapeutisches Kompetenzgefühl zu entwickeln. Trotz der deutlichen Verbesserung des eigenen Kompetenzgefühls durch den Unterricht um 1,45 (!) Punkte auf 0,80 in der Nachhereinschätzung bei Frage 3, zeigt sich in Frage 2 jedoch nur eine geringe Erhöhung der Neigung psychosozial auffällige Kinder und Jugendliche ergotherapeutisch zu behandeln. Das kann daran liegen, dass sich die Schüler im Unterricht nicht nur der Möglichkeiten, sondern auch der Grenzen und zudem der Komplexität ergotherapeutischer Behandlung im Bereich psychosozial auffälliger Kinder und Jugendlicher bewusst wurden. Die Schüler konnten im Unterrichts zwar vieles Lernen, aber in der begrenzten Zeit konnte doch nur einen Teil der umfassenderen Materialien durcharbeitet werden und es fehlt noch das positive Vertrautwerden mit den neu gewonnenen Kompetenzen durch ein praktisches Anwenden und Einüben im Rahmen der Praktika.

Schlussfolgerungen/Ausblick

Das Buch ‚Psychosoziale Therapie mit Kindern und Jugendlichen’ von Georg Keller eignet sich gut für einen qualifizierenden Unterricht im Rahmen der Ausbildung zum Ergotherapeuten. Bleibt zu hoffen, dass auch Praktikumsanleiter und schulische Praktikumsbetreuer das Buch lesen, um die Schüler im Rahmen der Praktika bei der wichtigen praktischen Umsetzung des im Unterricht Gelernten professionell zu unterstützen.

 

Übrigens:

Wie schätzen Sie

· die allgemeine Relevanz

· Ihre persönliche Neigung

· Ihre persönliche professionelle Kompetenz

zur psychosozialen Therapie mit Kindern und Jugendlichen ein?

 


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